Wir lassen die Umwelt
aufblühen - seit 1983

Fachinfos 4: Heudrusch- und Heumulchsaaten

Begrünungen mit dem Heumulch- und Druschgutverfahren – Artenschutz inklusive

Von Jürgen Bender

Anlehnung an den Vortrag beim Seminar „Renaturierungstechnologien der Alfred Toepfer- Akademie für Naturschutz“ in Schneverdingen.

Während die Naturschutzgesetzgebung mit dem Instrument des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatschG) auf den Erhalt der natürlichen Pflanzenvielfalt ausgelegt ist, steht das Saatgutverkehrsgesetz nicht im Einklang mit diesem Grundsatz. In Deutschland werden jährlich einige Tausend Hektar Landschaftsfläche im Zuge der Kompensation von Eingriffen begrünt. Zur Vermeidung einer genetischen Vereinheitlichung unserer wiesen- und rasenartigen Pflanzengesellschaften durch das Ausbringen einheitlicher Zuchtsorten von der Nordsee bis zu den Alpen müssen standortgerechte Begrünungsverfahren mit gebietseigenem Saatgut dringend gefördert werden.

Nicht nur Ingenieur- und Architekturbüros, sondern auch verantwortungsbewusste Begrünungsunternehmen stehen in der Pflicht, die bestehenden Möglichkeiten zur Verwendung von gebietseigenem Saatgut zu nutzen. Welche Begrünungsmethode zum Einsatz kommt, hängt von der Größe und Qualität der zur Verfügung stehenden Spenderflächen und den Standortbedingungen der Begrünungsfläche ab.

So kommt es beispielsweise auf den Anteil an organischer Substanz (Oberboden/Rohboden), die Mächtigkeit des durchwurzelbaren Bodens, die Bodenart, bodenchemische und hydrologische Kennwerte etc. an. Klimatische, aber auch geologische Voraussetzungen spielen eine geringere Rolle, da bei naturnahen Verfahren die Gewinnungs- und Begrünungsfläche im selben Naturraum liegen. Aber auch mikroklimatische Parameter wie Höhenlage oder Belichtungsverhältnisse müssen berücksichtigt werden. Sofern eine erosionsschutztechnische Sicherung der Rekultivierungflächen erforderlich ist, müssen Parameter wie Böschungshöhe, Neigung, Bodenkohäsion, Windstärke etc. herangezogen werden.

Heumulchsaat: Ausbringung von samenhaltigem, frischem Aufwuchs oder Heu von einer geeigneten Spenderfläche.

Druschgut-Saat: Ausbringung eines Saatgutgemisches, das von einer geeigneten Spenderfläche mit einem speziellen Dreschverfahren gewonnen wurde und mit Druschresten aus Blättern, Stängeln und Spelzen vermischt ist.

Ökotypensaatgut: Saatgut aus genau definierten Herkünften; es darf nicht mit Saatgut anderer Herkünfte vermischt werden. Ökotypensaatgut wird entweder aus natürlichen Vorkommen gesammelt, oder es stammt aus regionalen Zuchtbeständen.

Ansaat mit Heublumen: Eine sehr alte, in begrünungstechnischer Hinsicht unsichere Methode, bei der Samen, welcher aus in Scheunen eingelagertem Heu ausfällt, gesammelt und ausgesät wird. Dieses Verfahren wird heute nicht mehr angewendet.

Grünlandboden: Aufbringung samen- und wurzelhaltiger Böden auf eine zu begrünende Fläche. Die "Spenderböden" werden Flächen mit einem dem Begrünungsziel entsprechenden Vegetationsbestand entnommen. Das Ausbringen von geringen Mengen wird als „Impfung“ bezeichnet.

Sodenverpflanzung: Entnahme lebender Soden von geeigneten Spenderflächen und Übertragung auf die zu begrünende Fläche. Bei dieser Methode wird zwar die komplette Vegetationsgemeinschaft übertragen, sie ist aber sehr aufwändig und daher finanziell meist nicht realisierbar. Außerdem wird die Vegetation auf den Spenderflächen zerstört, weshalb nur solche in Frage kommen, die baulich ohnehin verändert werden (z.B. Deichrückverlegungen).

Generell hat jedes Verfahren seine Vor- und Nachteile, die gegeneinander abzuwägen sind. Hinzu kommt die Problematik der Verfügbarkeit. Zieht man ökonomische und ökologische Aspekte in Erwägung, so sind die beiden erstgenannten Verfahren zu favorisieren. Heumulch- und Heudrusch®-Verfahren zählen daher inzwischen zu unserem Alltag in der Begrünungspraxis. Es ist abzusehen und zu hoffen, dass sich diese Verfahren in der Rekultivierung weiterhin einer deutlichen Zunahme erfreuen werden.

Zunächst ist die Herkunftsregion des Saatgutes zu ermitteln. In enger Kooperation mit den zuständigen Behörden, Naturschutzverbänden und ansässigen Landwirten werden geeignete Spenderflächen ausgewählt. Die Pflanzenbestände werden schonend geerntet und zu Rundballen gepresst. Dabei spielen Schnittzeitpunkt und Reifegrad der Pflanzen eine wichtige Rolle. Bei Bedarf wird schonend nachgetrocknet und zwischengelagert. Die Terminierung erfolgt in Abstimmung mit dem Bauherrn.

Das Heumulchmaterial wird mit einem Spezialgerät gehäckselt und auf die Vegetationsflächen aufgeblasen oder mit einem Hydroseeser (Nassansaat-Maschine) appliziert. Für die Anwendung des Druschgut-Verfahrens werden die Rundballen zum Dreschzentrum gebracht. Hier erfolgt ggf. eine Nachtrocknung, bevor das Saatgut in einem speziellen Verfahren ausgedroschen und abgefüllt wird. Das so gewonnene Samenmaterial ist problemlos lagerfähig. Nach Durchführung einer Qualitätssicherung (Keimversuche) wird das Heudrusch®-Gut per Nassansaat ausgebracht.

Der Vorteil des Heumulch-Verfahrens besteht darin, dass während der Lagerung das Saatkorn an der Mutterpflanze verbleibt und so gegebenenfalls nachreifen kann. Darüber hinaus werden auch Moose, Sporen und Kleinstlebewesen übertragen, was bei humuslosen Rohböden die Initialzündung für eine erfolgreiche Begrünung beschleunigen kann. Allerdings müssen auch größere Mengen an Biomasse aufgebracht werden, denn beim Heumulchverfahren wird nahezu die gesamte oberirdische Biomasse übertragen. Hierdurch ist ein sofortiger Erosionsschutz durch die Mulchdecke gewährleistet. Das Kleinklima wird verbessert und die Austrocknung der Vegetationsfläche reduziert, was den Keimungsvorgang beschleunigt.

Beim Druschgut-Verfahren ist der Erntezeitpunkt vom Begrünungstermin entkoppelt, weil das Druschgut über einen längeren Zeitraum gelagert werden kann; dies bedeutet eine große Flexibilität hinsichtlich des Bauablaufes. Darüber hinaus werden Keimversuche angelegt und dokumentiert, so dass eine genaue Definition der optimalen Aufwandmenge möglich ist. Auf diese Weise ist eine umfassende Qualitätssicherung und Projektdokumentationgewährleistet.

Bei einer Heumulchbegrünung muss berücksichtigt werden, dass Begrünungsmaterial bei einer Frühjahrsansaat noch nicht zur Verfügung steht. Ist aber eine sofortige Begrünung als Erosionsschutz erforderlich, empfiehlt sich eine Zwischenbegrünung mit geeigneten Saatmischungen. Die eigentliche Begrünung mit Saatgut aus regional gewonnenem Heumulch erfolgt dann zu einem späteren Zeitpunkt.

Bei Rohbodenstandorten und hohen Erosionsschutzanforderungen sollten schnellwüchsige und kurzlebige Gräser, z.B. Roggentrespe (Bromus secalinus), Waldstaudenroggen (Secale multicaule), Welsches Weidelgras (Lolium multiflorum) oder geeignete Leguminosen vorgeschaltet werden. Falls erforderlich, müssen Bodenproben entnommen und auf pH-Wert und Nährstoffgehalte untersucht werden. Entsprechende, Boden verbessernde Stoffe und Düngemittel können leicht im Hydroseeder zugemischt werden.

Der häufigste Fehler bei Rekultivierungsmaßnahmen auf Rohböden besteht in der Ausbringung des Saatgutes ohne die erforderlichen Zuschlagsstoffe. Selbst bei Spenderflächen mit extrem magerer Ausprägung handelt es sich schließlich um funktionierende Ökosysteme mit einem humosen Bodenhorizont (Ah) und einem entsprechenden Nährstoffkreislauf. Deshalb ist auf Begrünungsflächen aus Rohboden in der Regel eine initiale Nährstoffgabe und Bodenverbesserung erforderlich, damit sich ein dynamisches Ökosystem mit ingenieurbiologischer Funktion entwickeln kann. Durch die Verwendung autochthonen Saatgutes optimal adaptierter Pflanzen kann die Aufwandmenge an Zuschlagsstoffen jedoch zumeist reduziert werden.

Ziel einer naturnahen Begrünung ist zumeist eine halbtrockene, trockene oder magere, artenreiche Rasengesellschaft, deren Wurzelsystem einen zuverlässigen Erosionsschutz gewährleistet.

Mit natürlichen Begrünungen durch das Heumulch- und Druschgut-Verfahren ist eine höhere Akzeptanz von Baumaßnahmen und Eingriffen in die Landschaft erreichbar, weil eine zunehmend sensibilisierte Öffentlichkeit die ästhetischen, ökologischen und ökonomischen Aspekte durch den Arten- und Blütenreichtum und die deutlich reduzierten Unterhalts- und Pflegekosten wahrnimmt und zu schätzen weiß. Um die Qualitätssicherung zu gewährleisten, ist eine Zusammenarbeit mit renommierten Institutionen zu empfehlen. Den dargestellten Verfahren liegen inzwischen langjährige Erfahrungen bei autochthonen Begrünungen zugrunde.

Alle Fachinfo-Seiten: